Dem Trend einer wachsenden Politikverdrossenheit unter Jugendlichen wollte Bremen bei der letzten Wahl am 22. Mai 2011 entgegenwirken: Bremen wagte mehr Demokratie mit einem neuen 5-Stimmen-Wahlrecht und – erstmalig in Deutschland bei einer Landtagswahl – mit einem Wahlrecht ab 16. Neue Wege waren notwendig, alle Wähler über das neue Wahlrecht so zu informieren, dass sie über Bedeutung und Funktion Bescheid wüssten. Vor allem aber musste das neue Angebot den 16- und 17-Jährigen so nahegebracht werden, dass sie es annehmen und nützen würden.
Das gelang in einer konzertierten Aktion: Die Innenbehörde bildete einen ressortübergreifenden Arbeitskreis in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung. Die Kampagne „Gib mir 5“ informierte u.a. mit „Schnupperwahllokalen“ und Broschüren, und mit dem Wahl-o-Mat wurde ein bewährtes Internet-Tool angeboten.
Entscheidend für den Erfolg mit Blick auf die Ansprache der Erstwähler war das handlungsorientierte Projekt „Juniorwahl“, das bundesweit seit 1999 bei Europa- und Bundestagswahlen sowie bei Landtagswahlen zur Verfügung steht. Von den 16 000 Wahlberechtigten 16- und 17- Jährigen nahmen 13 000 an diesem Projekt teil, Theorie und Praxis von Partizipation an dem grundlegenden demokratischen Entscheidungsprozess, der Wahl von Volksvertretern, zu vermitteln: Im Unterricht werden die wesentlichen Merkmale der Demokratie gemäß Grundgesetz erarbeitet und dann in einer Wahl praktisch erprobt.
Das hohe Engagement von den am Projekt „Juniorwahlen“ beteiligten Lehrerinnen und Lehrern führte zu Synergieeffekten: Nicht nur, dass sich Schülerinnen und Schüler außerschulisch über Parteiprogramme und Wahlversprechen von Kandidaten orientierten, sondern in Bremen halfen auch 500 Schülerinnen und Schüler bei der Stimmenauszählung, 500 ebenfalls in Bremerhaven, die sogar die gesamte Auszählung durchführten.
Die repräsentative Wahlstatistik zeigt am Beispiel der Beiratswahlen im Vergleich zu 2007, dass die Wahlbeteiligung bei den 16- und 17-Jährigen um 9,2 Prozent stieg. Der in diesem Zusammenhang aktuell veröffentlichte Abschlussbericht zeigt zudem, dass bei den Erstwählern im Vergleich zu 2007 die Wahlbeteiligung entgegen des Gesamttrends um 0,7 Prozent stieg und die Wahlbeteiligungsquote der Erstwähler erst wieder in der Altersgruppe ab 35 Jahren erreicht wird.
In Bremen hat sich gezeigt, dass in die politische Bildung Jugendlicher zu investieren sich lohnt. Das könnte Vorbild für alle anderen Bundesländer sein. Das Land Brandenburg hat bereits für die kommende Landtagswahl im Jahr 2014 eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre beschlossen und in Nordrhein-Westfalen wurde eine Senkung in den Koalitionsvertrag aufgenommen.